Frugalismus

Was ist Frugalismus?

Hinter dem Konzept Frugalismus steckt die Idee, sein Leben so zu leben, dass man seine Lebenszeit möglichst nicht damit verschwendet, Geld zu verdienen. Dieses selbstbestimmte Leben erreichen Frugalisten dadurch, dass sie heute viel Geld sparen und dadurch morgen weniger arbeiten müssen. Sie konsumieren sehr bewusst und legen ihre Ersparnisse clever an.

Frugalismus ist auch unter dem Namen FIRE bekannt. Diese Abkürzung verrät, was dahinter steckt: Financial Independence, Retire Early – also so viel wie: „Finanziell unabhängig, früh in Rente“. Manche Frugalisten wünschen sich auch keine Rente, sondern die Möglichkeit, nur halbtags zu arbeiten und trotzdem finanziell frei zu sein. So bleibt ihnen mehr Zeit für die wichtigen Dinge.

Philosophie

Wenn du schon einmal über den Begriff Frugalisten gestolpert bist, hast du vielleicht den Eindruck gewonnen, dass es sich dabei um Geizhälse handele. Das seien doch diese Leute, die sich nichts gönnen und nur auf die (frühe) Rente hinarbeiten. Doch dem ist nicht so.

Viele Frugalisten konsumieren einfach bewusster. Gleichzeitig legen sie ihre Ersparnisse gewinnbringend an. Sie wollen ein erfülltes Leben. Dabei koppeln sie Glück nicht ans Geld.
Sie verzichten in vielen Fällen auf materiellen Besitz. Denn sie haben erkannt, dass viele Gegenstände nicht glücklich machen. Oft ist das Gegenteil der Fall (s. unten den Absatz zu Minimalismus und Frugalismus).

Vicki Robin, eine Vordenkerin der Bewegung, stellt in einem sehenswerten Vortrag die Frage:
„Willst du mehr Freiheit oder mehr Kram?“
(auf Englisch).

Bild: Ris & Ry | Unsplash

Es geht auch nicht um einen Ruhestand im Sinne des Nichtstuns. Als Frugalist hast du die Möglichkeit, selbst zu entscheiden, wie viel du arbeiten möchtest. Du bestimmst dein eigenes Maß an Arbeit und Freizeit.

Auch in der Wahl deiner Tätigkeiten bist du frei. Wer viel Freizeit hat, muss nicht faulenzen.
Im Gegenteil: Viele Menschen wählen den „frugalen Weg“, um mehr Freizeit für diejenigen Dinge im Leben zu haben, die ihnen viel bedeuten: Familie, Hobbys, Reisen, Kreatives oder auch Firmengründungen ohne Risiko.

Das Faszinierende ist: Das zu erreichen, ist kein Hexenwerk. Mit Hilfe einfacher Formeln kannst du dir ausrechnen, wie weit du von deiner persönlichen finanziellen Freiheit entfernt bist. Sie machen auch greifbar, wie du diesen Status eher erreichen könntest. Diese Formeln stelle ich dir weiter unten vor.

Wie jede Bewegung hat auch der Frugalismus ihre Leitfiguren, ihre Geschichte und ihre unterschiedlichen Strömungen. Ich stelle dir hier die Grundpfeiler dieser Philosophie vor.

Ziele

Frugalisten geht es nicht darum, Geld um des Geldes wegen anzuhäufen so wie Dagobert Duck. Es geht im Frugalismus um ein Leben nach deinen Vorstellungen, frei und unabhängig. Ganz nebenbei tun sie mit ihrem bewussten Konsumverhalten auch der Umwelt was Gutes.

Das übergeordnete Ziel des Frugalismus ist es, frei entscheiden zu können, was man mit seiner Lebenszeit anstellen will.
Darum steht am Anfang die Frage:

Wie sieht ein Leben ganz nach deinen Vorstellungen aus?

Was das bestmögliche Leben ist, ist natürlich für jeden einzelnen Menschen unterschiedlich. Für die einen ist es ein glückliches Familienleben, für die anderen ist es das Reisen. Wieder andere möchten sich kreativ verwirklichen oder für etwas einsetzen, das ihnen am Herzen liegt.

So unterschiedlich alle Lebensentwürfe und Vorlieben auch sind:
Es gibt ein Ziel, das die Frugalisten teilen. Es ist eine wesentliche Grundlage des Frugalismus:

Finanzielle Unabhängigkeit.

Die allerwenigsten von uns arbeiten in einem Job, in dem sie sich verwirklichen können. Viele von uns arbeiten bloß, um Geld zu verdienen. Sie warten schon am Montag auf Freitag und schon um 9 Uhr auf den Feierabend.
Wenn man die Leute fragt, wovon sie im Leben gerne mehr hätten, kommt meistens die Antwort: Zeit und Geld.

Aber nicht alle sind in ihrem Job unglücklich. Wenn du zu denen gehörst, die wirklich Freude an ihrem Beruf haben: Glückwunsch!
Aber auch dann ist Frugalismus etwas für dich. Denn perfekt sind die wenigsten Jobs. Es gibt immer etwas, was besser sein könnte.

Würden nicht 30 oder 20 Stunden in der Woche reichen, damit du mehr Zeit für deine Familie hättest? Wärst du nicht lieber dein eigener Chef? Würdest du nicht lieber dir die Zeit selbst einteilen wollen?

Frugalisten haben die Freiheit, sich auszusuchen, wann, wieviel und woran sie arbeiten.

Sie können, müssen aber nicht bis zum offiziellen Rentenalter arbeiten.

Wenn du dein Geld bewusst ausgibst und clever anlegst, kannst du in Zukunft von deinen Rücklagen leben. Dann hast du viel mehr Zeit, ja vielleicht den ganzen Tag für dich zur Verfügung. Dann kannst du dich deinen Hobbys und Leidenschaften widmen. Deiner Familie, deinen Freunden. Oder auch deinen Geschäftsideen.

Denn genauso wenig, wie es um Geiz und Verzicht geht, geht es um Faulheit.

Frugalismus gleich Umweltschutz?

Bild: Heidi Fin | Unsplash

Ich habe es oben bereits angedeutet: Es geht um dein Leben und um die ganze Welt. Denn bewusster Konsum hilft auch der Umwelt. Ganz nebenbei und ohne, dass es dich persönlich mehr Geld kostet.
Es ist ja sogar das genaue Gegenteil der Fall!

Vieles in unserer heutigen Gesellschaft dreht sich um Konsum. Autos, Smartphones, Fernseher, Fastfood, Einrichtungen, Kleidung, …

Doch dieser ganze Konsum geht ganz schön ins Geld!

Ein cleverer Frugalist weiß, dass vieles davon reine Groschengräber sind. Darum verzichtet er auf Konsum, wenn er ihn nicht wirklich braucht.
Davon profitiert auch die Umwelt: Strohhalme, Einwegflaschen, Coffee-to-go-Becher sind ressourcenintensiv in der Herstellung und oft nicht leicht zu recyceln. Von Smartphones oder Autos ganz zu schweigen.
Wer weniger konsumiert, verbraucht weniger Ressourcen und produziert weniger Müll. Das schont die Umwelt und das Klima.

Aber der Blick aufs Preisschild beim Einkaufen ist nicht immer umweltfreundlich!

Bei Lebensmitteln stammen die günstigen Produkte oft aus Monokulturen. Unter Umständen wurden für billiges Palmöl Regenwälder gerodet. Bio-Produkte sind oft umweltfreundlicher produziert, aber eben auch teurer.
Genauso verhält es sich mit Kleidung. Wer ein Shirt für 5 Euro kauft, kann sich fast sicher sein, dass bei seiner Herstellung viel giftige Chemie in den Fluss und über unterbezahlte Näherinnenhände geflossen ist.
Eine Lösung für dieses Problem wäre zum Beispiel Second-Hand-Mode.

Die Ursprünge des Frugalismus

Und wirklich stand der Gedanke, dass die Ressourcen der Erde nicht unendlich sind, am Anfang der FIRE-Bewegung. Vicki Robin ist Co-Autorin des Buches „Your Money or Your Life” (auf Deutsch: „Mehr Geld für mehr Leben“). Die Amerikanerin schrieb diese „Frugalisten-Bibel“ 1992 zusammen mit dem früheren Wall-Street-Analysten Joe Dominguez. Robin war die Umwelt wichtig, Dominguez wusste, wie man Geld auf dem Aktienmarkt verdient. Beide waren sich einig: Finanzielle Unabhängigkeit ist eine starke Sache und hat viele Vorteile. Mehr zu den beiden erfährst du weiter unten.
Wie bereits gesagt: Der Umweltschutz kommt mit dem Frugalismus mehr oder weniger nebenbei.

Bild: Noah Busher | Unsplash

Viel offensichtlicher ist es ja, dass es um eine zentrale Frage geht, die sich in den letzten 30 Jahren immer mehr Menschen stellen:

Wie komme ich zu mehr Lebensqualität?

Oder auch:

Wie werde ich glücklich?

Viele Menschen glauben, dass Geld glücklich macht. Oder das, was sie sich für Geld kaufen können. Aber damit geraten sie nur in eine Spirale aus Arbeit und Konsum, im schlimmsten Fall kommen noch Schulden dazu.

Reichlich resigniert stellt der Erzähler in dem Film „Fight Club“ fest: „Du bist nicht deine Arbeit. Du bist nicht dein Kontostand. Du bist nicht das Auto das du fährst. Du bist nicht der Inhalt deiner Geldbörse.“
Im Film wählt der Protagonist einen ziemlich radikalen Ausweg aus dem Hamsterrad des Konsums. Zuerst erpresst er sich von seinem Arbeitgeber eine hohe Abfindung, um seinem inhaltsleeren Job zu entfliehen. Danach stürzt er die gesamte Wirtschaft ins Chaos …

Natürlich geht das auch friedlicher. Du musst dir nur bewusst werden, was dir wichtig ist im Leben.
Immer mehr Menschen erkennen, dass die Antwort zum Glück eben nicht „Kram“ lautet.
Damit wächst die Frugalismus-Bewegung. Immer mehr Menschen entwickeln neue Ideen und Ansätze, tauschen sich aus und leben ein finanziell unabhängiges Leben.

Vordenker & Vorbilder

Ich habe dir bereits von Vicki Robin erzählt. Ihr einflussreiches Buch „Your Money or Your Life“ ist in der ersten Auflage 1992 erschienen. Nachdem sie es zusammen mit Co-Autor Joe Dominguez bei Oprah vorgestellt hatte, wurde es zum Bestseller. Seitdem pflegt sie das Buch und die Ideen immer noch. 2018 ist die aktuelle Auflage erschienen, die viele Tipps zum Sparen und Anlegen in einer digitalen Welt enthält. Robin ist wegen ihrer Leidenschaft und kluger Gedanken eine gefragte Rednerin. In diesem Video etwa überlegt sie: „Wie viel Geld brauchen wir wirklich?“ (auf Englisch)
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Joe Dominguez war Aktienanalyst an der Wall Street. Statt aber, wie die meisten seiner Kollegen, weiter die Karriereleiter hochzuklettern – oder vielmehr weiter im Hamsterrad zu treten – stieg er mit 31 Jahren aus dem Geschäft aus. Er hatte 100.000 Dollar auf dem Konto, von denen er prima leben konnte. 1997 ist er viel zu früh an Krebs gestorben.

Um 2008, als die Finanzkrise weltweit viele Menschen verunsicherte, erfuhr die FIRE-Bewegung neuen Schwung.

Seitdem wurde die Theorie des Frugalismus von vielen weiteren Menschen aufgegriffen, verfeinert und angepasst. Von ihnen können wir viel über diese Lebensweise lernen. Ich stelle sie dir weiter unten im Abschnitt „Berühmte Frugalisten“ vor.

Das Konzept

Jetzt fragst du dich sicherlich: Wie soll das nun funktionieren? Wo soll das Geld herkommen, um mit 40 in Rente zu gehen? Wie soll man denn mit weniger als 1.000 Euro im Monat auskommen?

Vorneweg: Es gibt nicht DEN einen Weg zu finanzieller Unabhängigkeit.

Das Ziel – ein freies, gutes Leben – ist schließlich höchst individuell. Doch die ganze FIRE-Philosophie stützt sich auf grundlegende Formeln, Bausteine und Stufen.

Mithilfe der Formeln verschaffst du dir einen Überblick darüber, wie du zu dem Geld kommst, von dem du Leben kannst. Es geht ums Sparen und Investieren und darum, dir einen Zeitplan aufzubauen.

Mit den Bausteinen setzt du diese Rechnungen dann in die Tat um. Die Bausteine betreffen deinen Lebensstil und wie du mit Geld umgehst. Mit jeder kleinen und großen Aktion baust du den Weg zu einem finanziell unabhängigen Leben.

Die Zwischenziele schließlich sind der Weg dorthin. Bevor du von Ersparnissen leben kannst, musst du sie natürlich erst einmal haben. Stufe für Stufe ändern sich die Bausteine, die du legen musst. Ganz wie bei einem Haus, wo du unten die dicken Steine setzen musst, oben die leichten, dann die Dachschindeln und zum Schluss die Verklinkerung.

Alle diese drei Punkte erkläre ich dir hier jetzt.

Die wichtigsten Formeln des Frugalismus

Am Anfang steht ein bisschen Mathematik. Keine Sorge, ich steige hier (noch) nicht in die Geheimnisse des Aktienmarktes ein. Es geht um ganz einfache Rechnungen, die dir zeigen sollen, wie viel Sparpotenzial auch du in deinem alltäglichen Leben hast.

Die 752- und die 173-Regel

Hast du schon mal von der 752-Regel oder der 173-Regel gehört? Mit diesen Faustformeln kannst du dir bewusst machen, wie viel Geld du für regelmäßige Ausgaben verlierst.

Angenommen, du kaufst dir jeden Tag auf dem Weg zur Arbeit am Bahnhof ein belegtes Brötchen für 3 Euro. Das macht pro Woche 15 Euro. Vielleicht denkst du dir (so denken zumindest viele): „Ich verdiene 2.000 Euro im Monat, das ist für mich nicht viel.“ Das stimmt wohl.

Aber jetzt wende mal die 752-Regel für wöchentliche Ausgaben an. Indem du 15 Euro mit 752 multiplizierst, erhältst du den Betrag, den du im Laufe von 10 Jahren für Frühstück ausgibst. Und das sind in diesem Fall 11.280 Euro!

Würdest du dieses Geld sparen und anlegen, könntest du in zehn Jahren für fünfeinhalb Monate von diesem Geld leben, ohne zu arbeiten!
Hast du das Geld auch noch angelegt und Rendite erwirtschaftet, ist es sogar noch mehr Geld!

Es geht nicht darum, dass du auf Frühstück verzichten sollst. Aber wenn du dir die Brötchen selbst schmierst, dann kosten sie weniger als 50 Cent pro Stück!
Damit sparst du in der Woche 12,50 Euro. Mal 752 sind das immer noch 9.400 Euro!

Die 173-Regel funktioniert genauso, aber mit monatlichen Ausgaben.

Brauchst du wirklich Netflix UND Magenta TV? Würde es dich wirklich unglücklich machen, eins von beiden zu kündigen und „nur“ ca. 5.000 statt 7.000 Filme streamen zu können? Und schon wären es 25 € mal 173 = 4325 €. Das sind mehr als zwei Monatsgehälter (laut unserem Beispiel).

Der Frugalisten-Rechner

Du siehst, es gibt unterschiedliche Ansätze. Du kannst extrem viel Geld jetzt sparen und es später für eine Weile auf den Kopf hauen. Du kannst später bis an dein Lebensende davon leben. Du kannst heute ein wenig sparen und später entspannt Minijobs machen oder dich risikoarm selbständig machen. Oder oder oder.
Einen ersten Überblick liefert der FIRE retirement calculator. Dort gibst du ein, wie viel du verdienst und wie viel davon du sparen willst. Dann liefert der Rechner dir das Ergebnis, wann du sorglos in Rente gehen kannst.

Bild: Nattanan Kanchanaprat | Pixabay